Die Anzahl öffentlich zugänglicher Ladestationen in der Schweiz hat sich in den letzten 2.5 Jahren von rund 5’000 auf heute über 11'000 mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung ist sehr erfreulich, wirft aber auch verschiedene Fragen auf: Wie viele zusätzliche öffentliche Ladestationen werden in den nächsten Jahren benötigt? Wo läuft es gut mit dem Aufbau und wo besteht Handlungsbedarf?
Beim Blick in die Zukunft zeigt sich, dass für den weiteren Aufbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur eine gute Datengrundlage und ein möglichst gut aufeinander abgestimmtes Vorgehen der immer zahlreicher werdenden Akteure wichtig sind, um Fehlinvestitionen zu vermeiden.
Echtzeitdaten und interessante Kennzahlen zu den öffentlich zugänglichen Ladestationen
Der Bund bietet mit der interaktiven Anwendung www.ich-tanke-strom.ch eine gute Übersicht der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in der Schweiz an. Die Anwendung zeigt u.a. in Echtzeit die Verfügbarkeit der Ladestationen und wird vielseitig genutzt. Anbieter von Geodaten verwenden diese Daten zum Beispiel für die Bereitstellung in ihren Navigationssystemen. Die Übersicht des Bundes wird aber auch von verschiedenen Akteuren beim Aufbau und der Standortwahl von Ladestationen genutzt. Denn mit den Daten kann die bereits bestehende Ladeinfrastruktur bei der Planung berücksichtigt werden.
Seit Ende des Jahres 2020 wertet das Bundesamt für Energie BFE die Daten zudem regelmässig aus und publiziert diese Kennzahlen auf der eigenen Website. Diese werden für die ganze Schweiz sowie für die einzelnen Kantone erhoben, was auch interessante Vergleiche zulässt. Untenstehende Abbildung zeigt die zeitliche Entwicklung der Anzahl öffentlich zugänglichen Ladestationen (blaue Linie) und Standorte (grüne Linie) in der Schweiz für den Zeitraum von November 2020 bis Juli 2023.
Die Ladebedürfnisse an verschiedenen Ladestandorten decken
Die Ladebedürfnisse der Halterinnen und Halter von Elektrofahrzeugen sollten an unterschiedlichen Standorten gedeckt werden können. Dabei spielt die öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt, weil im Jahr 2035 zwischen 400’000 und 1’000’000 Steckerfahrzeuge in der Schweiz über keine private Lademöglichkeit verfügen werden (weder zu Hause noch am Arbeitsplatz). Diese Zahlen hat das Bundesamt für Energie BFE in einer kürzlich veröffentlichten Studie publiziert.
Für diese Fahrzeuge ohne private Lademöglichkeit braucht es ein allgemein zugängliches Ladenetz, möglichst in der Nähe zum Wohnort. Sei es zum Beispiel in der blauen Zone (Laden im Quartier), bei Einkaufs- und Freizeiteinrichtungen (Laden am Zielort) oder an Tankstellen und Rastplätzen (Schnellladen). Nachfolgende Abbildung aus der Studie des Bundesamts für Energie gibt einen guten Überblick über die verschiedenen Ladebedürfnisse und Ladeoptionen.
Wie viele öffentlich zugängliche Ladestationen braucht es?
Im Rahmen der nationalen Roadmap Elektromobilität haben sich Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Branchen sowie von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden zum Ziel gesetzt, dass in der Schweiz bis Ende 2025 insgesamt 20‘000 öffentlich zugängliche Ladestationen zur Verfügung stehen sollen.
In den nächsten 2.5 Jahren ist also noch einiges zu tun, damit dieses Ziel erreicht werden kann. Aber auch darüber hinaus muss der Ausbau rasch erfolgen, damit dieser mit den stark zunehmenden Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen Schritt halten kann. Zahlen dazu gibt es ebenfalls in der Studie des BFE (siehe S. 34).
Gute Situation entlang der Nationalstrassen; Handlungsbedarf im Quartier
Entlang der Nationalstrassen gibt es in der Schweiz bereits heute ein verhältnismässig dichtes Netz an Schnellladestationen. Dies auch im internationalen Vergleich. Ende 2022 verfügten mehr als drei Viertel aller Raststätten (insgesamt 43) über Lademöglichkeiten. Bis Ende 2023 sollen zudem über 50 Rastplätze mit Schnellladestationen ausgerüstet sein. Aber auch in Dörfern, Städten und in ländlichen Regionen gewinnt der Aufbau von Schnelllademöglichkeiten zunehmend an Fahrt. So haben zum Beispiel kürzlich die Schweizerische Post und der Agrokonzern Fenaco mitgeteilt, dass sie ein gemeinsames Schnellladenetz an solchen Standorten aufbauen wollen. Im Rahmen der Kooperation sollen je 150 Standorte mit jeweils unterschiedlich vielen Ladestationen geschaffen werden.
Bei den Lademöglichkeiten am Zielort ist aktuell ebenfalls einiges in Bewegung. Viele Detailhändler bieten ihren Kunden mittlerweile Ladestationen an und weiten das Angebot laufend aus. Auch Hotels und Restaurants werden zunehmend aktiv und schaffen Lademöglichkeiten für ihre Gäste. Und auch bei weiteren Freizeiteinrichtungen (z.B. Sportstätten, Bergbahnen) gehören Ladestationen immer häufiger zum Grundangebot.
Die Entwicklung bei den Lademöglichkeiten im Quartier ist bisher weniger dynamisch. Hier dürfte der Handlungsbedarf aktuell am grössten sein, damit insbesondere auch für Halterinnen und Halter von Fahrzeugen ohne private Abstellplätze und ohne private Lademöglichkeit in der Nähe des Wohnortes attraktive Lademöglichkeiten geschaffen werden.
Es zählt nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität
Beim Aufbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur zählt aber nicht nur die Quantität, sondern eben auch die Qualität. Zentral ist insbesondere die Qualität der Standorte. Der Aufbau und auch die Finanzierung der öffentlich zugänglichen Ladestationen in der Schweiz wird bisher zu einem grossen Teil von Unternehmen gestemmt. Diese Firmen suchen händeringend geeignete öffentlich zugängliche Standorte, haben aber Mühe solche zu finden. Gemeinden, Städte und Kantone, aber auch private Akteure, können Standorte bereitstellen und so den Aufbau unterstützen, ohne dabei selbst finanziell aktiv werden zu müssen (siehe dazu auch den Blog-Beitrag zur Schlüsselrolle der Gemeinden).
Es braucht zudem einen guten Mix verschiedener Ladeoptionen, welche auf die jeweils lokalen Ladebedürfnisse abgestimmt sind. So ist zum Beispiel nicht überall eine Schnellladestation sinnvoll. Das Laden an Langsam-Ladepunkten ist in der Regel für die Nutzenden preislich attraktiver und auch Überlegungen zum netzdienlichen Laden sollten bei der Planung eine Rolle spielen.
Fazit: Gute Datenbasis und koordiniertes Vorgehen sind wichtig für den Aufbau
Für den erfolgreichen Übergang zum Massenmarkt braucht es ein engmaschiges öffentlich zugängliches Ladenetz. Eine möglichst gute Abstimmung der immer zahlreicher werdenden Akteure in der Schweiz bzgl. der Ladestandorte und Ladeoptionen hilft Fehlinvestitionen zu vermeiden. Gemeinden, Städte und Kantone können hier eine wichtige koordinierende Rolle übernehmen. Dabei ist eine qualitativ hochstehende und aktuelle Datenbasis für einen solchen koordinierten Aufbau der Ladeinfrastruktur essenziell.
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